Die Aktienrechtsreform befindet sich im Parlament auf der Zielgeraden. In der Wintersession 2018 sollte die Aktienrechtsreform zum Abschluss gebracht werden können. Das geltende Aktienrecht ist in Kraft seit dem 1. Juli 1992.
Was geschah bisher?
- Im Dezember 2005 eröffnete der Bundesrat die Vernehmlassung zur Revision des Aktien- und Rechnungslegungsrechts.
- Im Dezember 2007 verabschiedete der Bundesrat die Botschaft zur Revision des Aktien- und Rechnungslegungsrechts.
- Im Februar 2008 reichte ein Initiativkomitee die Volksinitiative «gegen die Abzockerei» ein.
- Per 1. Januar 2013 wurde das neue Rechnungslegungsrecht in Kraft gesetzt.
- In der Volksabstimmung vom 3. März 2013 wurde die Volksinitiative «gegen die Abzockerei» von Volk und Ständen deutlich angenommen.
- Als Folge davon wies das Parlament im Sommer 2013 den Entwurf 2007 an den Bundesrat zurück.
- Per 1. Januar 2014 wurde als erster Schritt zur Umsetzung der Volksinitiative die Verordnung gegen übermässige Vergütungen bei börsenkotierten Aktiengesellschaften in Kraft gesetzt.
- Am 23. November 2016 verabschiedete der Bundesrat die neue Botschaft für das revidierte Aktienrecht zuhanden des Parlaments.
- Am 15. Juni 2018 heisst der Nationalrat die Aktienrechtsreform knapp mit 101 Ja zu 94 Nein Stimmen gut.
Auf welche Punkte wurde bei der Revision verzichtet?
- Keine Prüfpflicht bei der Rückzahlung gesetzlicher Reserven
- Keine Pflicht zum Aufbau und Betrieb eines elektronischen Aktionärforums
- Keine Abschaffung der Buchwertkonsolidierung
- Keine Einzeloffenlegung der Vergütungen sämtlicher Mitglieder der Geschäftsleitung
Was sind die wesentlichen Inhalte der Aktienrechtsrevision?
- Neu darf das Aktienkapital auch auf eine ausländische Währung lauten.
- Es sollen Geschlechter-Richtwerte für börsenkotierte Gesellschaften vorgesehen werden.
- Der Schwellenwert für die Zusammensetzung des Verwaltungsrates beträgt 30 %.
- Der Schwellenwert für die Zusammensetzung der Geschäftsleitung soll 20 % betragen, wobei eine Übergangsfrist von 10 Jahren gelten soll.
- Bei Gesellschaften deren Statuten den gesetzlichen Mindestinhalt umfassen (sog. einfach strukturierte Gesellschaften) soll die Pflicht zur öffentlichen Beurkundung bei Gründung und Liquidation wegfallen.
- Das geltende Aktienrecht schreibt einen Mindestnennwert der Aktien von einem Rappen vor.
- Neu sollen die Aktien nur noch einen Nennwert aufweisen, der grösser als null ist.
- Auf die Schaffung einer unechten oder nennwertlosen Aktie wird verzichtet.
- Im Entwurf 2016 wird die (beabsichtigte) Sachübernahme nicht mehr als qualifizierter Tatbestand bezeichnet und die damit zusammenhängende Statuten- und Registerpublizität entfällt.
- Das bedeutet, dass dieser Sachverhalt nicht mehr öffentlich beurkundet werden muss.
- Auch eine Statutenänderung soll bei einfach strukturierten Gesellschaften ohne die Mitwirkung einer Urkundsperson möglich sein.
- Neu soll ein sogenanntes «Kapitalband» eingeführt werden.
- Mit dem neuen Instrument kann die Generalversammlung den Verwaltungsrat ermächtigen, das zum Zeitpunkt des Beschlusses im Handelsregister eingetragene Aktienkapital während einer Dauer von maximal 5 Jahren innerhalb einer bestimmten Bandbreite zu erhöhen oder herabzusetzen.
- Bei einer Kapitalerhöhung kann auf die öffentliche Beurkundung nur verzichtet werden, wenn die Einlagen vollständig und in Schweizer Franken geleistet werden.
- Zum Schutz der Gläubiger ist die Statutenänderung bei einer Kapitalherabsetzung weiterhin und zwingend öffentlich zu beurkunden.
- Neu ist die Möglichkeit für die Ausschüttung von Zwischendividenden (sog. Interimsdividenden) vorgesehen.
- Das geltende Recht sieht die Möglichkeit nicht vor, aus dem Gewinn des laufenden Geschäftsjahres, während des Geschäftsjahres Dividenden an die Aktionäre auszuschütten.
- Das neue Recht sieht diese Möglichkeit vor, wenn folgende Voraussetzungen eingehalten sind:
- Die Statuten sehen die Möglichkeit der Interimsdividende vor.
- Es wird ein Zwischenabschluss erstellt.
- Die Gesellschaft untersteht der eingeschränkten Revision.
- Vor dem Beschluss der Generalversammlung über die Ausrichtung einer Zwischendividende muss die Revisionsstelle den Zwischenabschluss prüfen.
- Die Bestimmungen zur Generalversammlung werden an einigen Stellen geändert.
- Zusätzlich zur bisherigen Möglichkeit der Universalversammlung soll es zulässig werden, dass eine Generalversammlung ohne Einhaltung der vorgeschriebenen Vorschriften abgehalten werden kann, wenn die Beschlüsse schriftlich auf Papier oder in elektronischer Form erfolgen.
- Somit werden Zirkularbeschlüsse ermöglicht, die bereits heute bei der Beschlussfassung des Verwaltungsrates zulässig sind.
- Die Organstimmrechtsvertretung, d.h. die den Aktionären vom Verwaltungsrat angebotene Möglichkeit zur stellvertretenden Ausübung des Stimmrechts durch ein Mitglied des Verwaltungsrates, wird auch für kleinere Gesellschaften unzulässig.
- Die Bestimmungen zum Kapitalverlust und zur Überschuldung wurden überarbeitet.
- Der Verwaltungsrat und die Revisionsstelle haben jeweils «mit der gebotenen Eile» zu handeln.
- Besteht bei einer Gesellschaft, die einer eingeschränkten Revision unterliegt, die begründete Besorgnis, dass sie innerhalb der nächsten sechs Monate zahlungsunfähig wird, so muss der Verwaltungsrat einen Liquiditätsplan erstellen und die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft beurteilen.
- Die neuen Regelungen des revidierten Aktienrechts zu Kapitalverlusten und Überschuldung geben vor, dass die Jahresrechnung, von der Revisionsstelle geprüft werden muss.
- Wenn zwei Drittel – bisher die Hälfte – des gesperrten Eigenkapitals nicht mehr durch Aktiven gedeckt ist, so muss der Verwaltungsrat – wie bei der begründeten Besorgnis der Zahlungsunfähigkeit – eine Beurteilung der wirtschaftlichen Lage vornehmen.
- Neu muss die Jahresrechnung, aus der sich ein Kapitalverlust ergibt, von der Revisionsstelle geprüft werden.
- Im revidierten Gesetz wird – in Anlehnung an die weniger genaue Rechtsprechung des Bundesgerichts – eine Frist von 90 Tagen festgelegt, während welcher der Verwaltungsrat auf die Benachrichtigung des Gerichts verzichten kann.
Was sind Differenzen zum Nationalrat?
Mit Stichentscheid des Präsidenten hat die Kommission – entgegen dem Entscheid des Nationalrates – entschieden, auf die Einführung des Rechtsinstituts des Kapitalbands zu verzichten. Stattdessen soll die genehmigte Kapitalerhöhung gemäss der geltenden gesetzlichen Regelung beibehalten werden. Mit dem Kapitalband könnte die Generalversammlung den Verwaltungsrat ermächtigen, das Aktienkapital während der Dauer von längstens 5 Jahren innerhalb einer bestimmten Bandbreite zu erhöhen oder herabzusetzen.
Die Kommission hat sich vertieft mit der Frage der öffentlichen Beurkundung im Aktienrecht befasst. Vertreter der Kantone, der Strafverfolgungsbehörden, der Handelsregisterführer und der Notariate äusserten sich kritisch gegenüber den Erleichterungen der Beurkundungspflicht beim Vorliegen einfacher Verhältnisse. Diese Erleichterungen hat der Bundesrat beantragt und der Nationalrat hat diese in der Sommersession genehmigt und noch weiter ausgebaut. Die Kommission befürchtet, dass die durch Beurkundungspflicht gewährleistete Rechtssicherheit und Seriosität bei Gesellschaftsgründungen abnehmen könnte und es zu einer Zunahme der Konkursdelikte kommen könnte. Die Kommission entschied – entgegen dem Entscheid des Nationalrates – mit 9 Ja zu 0 Nein Stimmen, dem Ständerat zu beantragen, beim geltenden Recht zu bleiben.
Status der Aktienrechtsreform im Parlament und Ausblick: Die Rechtskommission des Ständerates hat die Beratungen der Aktienrechtsrevision anfangs November 2018 abgeschlossen. In der Gesamtabstimmung der Kommission wurde die Vorlage mit 9 Ja zu 2 Nein Stimmen angenommen. Die Vorlage wird am 11. Dezember 2018 im Ständerat behandelt. Die Schlussabstimmung findet am 14. Dezember 2018 statt. Wann das revidierte Aktienrecht in Kraft treten soll ist noch nicht bekannt.