Die Inhaberaktie steht vor dem Aus. Als Mittel zur schnellen Geldbeschaffung gedacht, bekam sie weltweit einen zunehmend schlechten Ruf.
Die Inhaberaktie wird es ab 1.November 2019 nicht mehr geben. Zumindest wird sie die Anonymität des Besitzers nicht mehr gewährleisten. Dann tritt nämlich das Bundesgesetz zur Umsetzung von Empfehlungen des Global Forum über Transparenz und Informationsaustausch für Steuerzwecke in Kraft. Das Global Forum mit seinen 157 Mitgliedstaaten hat seinen Ursprung bei der OECD. Die Gesetzesänderung wurde nötig, damit die Schweiz nicht auf einer schwarzen Liste landet. Die neue Regelung soll mehr Transparenz schaffen und so Kriminalität, Geldwäscherei und Steuerhinterziehung bekämpfen.
Gemäss dem neuen Gesetz sind Inhaberaktien nur noch zulässig, wenn die Gesellschaft die Inhaberaktien als Bucheffekten ausgestaltet oder Beteiligungspapiere an einer Börse kotiert hat. Die Transparenz von Gesellschaften mit börsenkotierten Beteiligungspapieren ist gewährleistet, da sie gemäss Finanzmarktinfrastrukturgesetz ab 3% der Stimmrechte meldepflichtig sind. Gesellschaften, die Beteiligungspapiere bei der Schweizer Börse SIX kotiert haben, können also weiterhin Inhaberaktien halten. Allerdings müssen sie diese bis am 1. Mai 2021 ins Handelsregister eintragen lassen. Danach werden unzulässige Inhaberaktien in Namenaktien umgewandelt. Aktien von nicht gemeldeten Aktionären werden fünf Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes nichtig.
Insgesamt gibt es in der Schweiz 220’000 Aktiengesellschaften, davon sind rund 230 Schweizer Unternehmen kotiert. Vom neuen Gesetz sind gemäss Staatssekretariat für internationale Finanzfragen rund 57’000 Gesellschaften betroffen, also ein Viertel. Pro Unternehmen könnten erneut Kosten von 5000 Fr. und mehr entstehen.
Wirtschaftlich ist die Umstellung kein Dammbruch, eher das Ende einer Tradition. Tatsächlich waren ursprünglich viele Aktien Inhaberaktien. Bei Inhaberaktien weiss das Unternehmen nicht immer, wer der Aktionär ist. «Insbesondere grosse Aktiengesellschaften gaben Inhaberaktien heraus, da sie mit einem einfachen Verfahren möglichst rasch zu viel Kapital kommen wollten», sagt der Historiker Martin Lüpold, der zum Aktienrecht in der Schweiz geforscht hat. In den 1950er Jahren kehrte das Blatt, als Nestlé Namenaktien einführte, um zu wissen, wer die Aktionäre sind, und sich so vor unerwünschten Übernahmen zu schützen. In der Folge schafften die meisten Publikumsgesellschaften die Inhaberaktie ab. Von den 215 SPI-Aktien sind nur noch 19 Inhaberaktien.
Quelle: Aus dem NZZ-E-Paper vom 20.10.2019