Eine gut geplante Vermögensübergabe bringt allen Beteiligten Vorteile und schützt vor unliebsamen Überraschungen
Die Lebenserwartung in der Schweiz ist hoch und steigt weiter. Ein Teil der Personen, die pensioniert werden, muss sich Sorgen darüber machen, ob die angesparten Vorsorgevermögen reichen, um im Ruhestand den gewohnten Lebensstandard halten zu können. Der wohlhabende Teil – 2020 werden in der Schweiz 95 Milliarden Schweizer Franken vererbt – beschäftigt sich damit, wie sich das Vermögen optimal auf die nächste Generation übertragen lässt. Vielfach glaubt der Pensionär, ein Testament und das Erbrecht seien ausreichend. Doch oft sind die Erben mit dem Nachlass überfordert. Ideal wäre es, das Vermögen in einem rollenden Prozess – in einer Kombination aus Schenkungen und Übertragung – weiterzugeben. Dabei muss der Erblasser aber im Auge behalten, was er für sich selbst braucht, wenn er den bisherigen Lebensstil beibehalten sowie Notfälle und Unerwartetes abdecken will.
Überlegungen offenlegen
Die Details zum Erbgang sollten bereits zu Lebzeiten besprochen werden, und die Nachkommen sollten mit der Nachlassregelung einverstanden sein. Der Erblasser muss sich vor Augen führen, dass er bei der Testamentseröffnung für klärende Gespräche nicht mehr zur Verfügung steht. Hinter einer strittigen Entscheidung stehende Überlegungen müssen zu Lebzeiten offengelegt werden.
Sollen die Nachkommen mit Anspruch auf einen Pflichtteil ganz oder zum Teil vom Erbe ausgeschlossen werden, muss das mit den Erben besprochen werden. Oft wird ein Erbverzichtsvertrag aufgesetzt – eventuell im Gegenzug zu einer Abschlagszahlung. Die Anfechtung eines solchen Vertrags wird nach dem Tod des Erblassers vom Gericht kaum zugelassen.
«Eine umfassende Beratung unter Einbezug allfälliger Ansprüche und Bedürfnisse des möglicherweise jüngeren Ehegatten, die Absicherung der eigenen Altersvorsorge, die Ausgleichsansprüche unter Nachkommen, eine allfällige Rechtswahl und steuerliche Folgen – Letzteres namentlich bei lebzeitigen oder letztwilligen Zuwendungen ausserhalb der Ehe und der Nachkommen» – sind aus der Sicht des Experten, die wichtigsten Vorkehrungen für eine frühzeitige Vermögensverteilung durch den Erblasser.
Möglichst früh beginnen
Mit der Planung der Vermögensübergabe soll man möglichst früh beginnen, gegebenenfalls schon vor einer Heirat – insbesondere vor einer Zweitheirat -, um dem Erblasser einen möglichst umfangreichen Spielraum für lebzeitige oder letztwillige Zuwendungen zu sichern. Mit der geplanten Revision des Erbrechts (Reduktion der Pflichtteile) vergrössert sich der gesetzlich vorgesehene Spielraum. Viele Erblasser leben nach dem Motto «nach mir die Sintflut» – oft ist dies mit der Verdrängung des eigenen Todes zu begründen. «Familienmitglieder, die mit einem grossen Vermögenszufluss konfrontiert werden, sind oftmals völlig überfordert», sagt der Experte.
Falls das Familienvermögen aus unternehmerischer Tätigkeit stamme, sei es oft die beste Lösung, wenn man dieses bezüglich Strategie und Governance selbst als «Unternehmen» betrachte. Für jeden Einzelnen, der in der Vermögensverteilung berücksichtigt werde, werde eine Standortbestimmung gemacht: Wo stehe ich, wie sieht mein Risikoprofil aus, wo will ich hin und mit welcher Strategie. Für die Standortbestimmung gehe man dabei schrittweise nach dem sogenannten 3-i-Modell vor: Nachfolger informieren, involvieren, in die Verantwortung nehmen.
Heikler wird die Vermögensverteilung, wenn auch Nichterben berücksichtigt werden. «Lebzeitige Schenkungen oder letztwillige Zuwendungen an nicht gesetzlich berufene bzw. pflichtteilsgeschützte Personen können ehe- oder erbrechtliche Ansprüche dieser Personen verletzen und unliebsame Auseinandersetzungen zu Folge haben», sagt der Experte. Problematisch seien namentlich Schenkungen in den letzten fünf Jahren vor dem eigenen Tod und die verfügbare Quote übersteigende Zuwendungen.
Sofern nicht eine einverständliche Lösung mit Zustimmung aller involvierten Parteien getroffen werden kann, kann die Verfügungsfreiheit über die Wahl des Güterstandes beeinflusst und durch Teilungsvorschriften den Bedürfnissen des Dritten Rechnung getragen werden.
Über Todesfallrisikoversicherungen kann gegebenenfalls Dritten eine weder ehe- noch erbrechtlich anfechtbare Zuwendung im Todesfall gleistet werden. «Beliebt sind auch periodische Barschenkungen in kleineren Beträgen, die von den Erben kaum mehr eruiert und angefochten werden können», fügt der Experte an. Ausländische Trusts und Stiftungen mit dem Zweck der Begünstigung eines Dritten sind laut Experte zulässig.
Es gelten jedoch die gleichen Einschränkungen und Risiken einer Anfechtung der entsprechenden Zuwendungen durch pflichtteilsgeschützte Erben. Bei Vermögensweitergaben an Nichterben ist die Steuerlast ein entscheidender Faktor. Diese kann für einen Konkubinatspartner oder einen anderen nicht verwandten Dritten 30 % und mehr betragen.
Depot verändert sich
«Natürlich wäre es wünschenswert, wenn der Erblasser früh mit den Erben zusammen die Anlagestrategie festlegen würde», sagt der Experte. Doch oft wolle der Erblasser nicht alle Informationen zur finanziellen Situation preisgeben. Er habe festgestellt, dass die heutige Erbengeneration mehr Wert auf nachhaltiges Anlegen lege. So könne ein Depot zwei Jahre nach dem Vererben schon deutlich anders aussehen. «Und dies geschieht in der Regel ohne Performance—Einbusse», so der Experte.
Gemeinhin heisst es, die Gebühren beim Wechsel der Bank seien so prohibitiv hoch, dass ein Wechsel für die Erben fast nicht möglich sei. «Hier muss ich den Banken ein Kränzchen winden, meist lässt sich mit Verhandlungen eine akzeptable Lösung finden», sagt der Vermögensverwalter. Das heisst im Klartext, dass Institute, auf die Vermögenswerte übertragen werden, in vielen Fällen die beim Auslösen der bestehenden Bankverbindung entstehenden Gebühren übernehmen.
Quelle: Neue Zürcher Zeitung vom 17.02.2020, Geld und Finanzen, Vorsorge und Vermögensplanung